PROJEKT

Luchs-Koordinationsgehege

Gehegenachzuchten für den Thüringer Wald

Um den Luchs im Thüringer Wald auswildern zu können, brauchen wir natürlich geeignete Tiere, die für eine solche Auswilderung in Frage kommen. Das Problem: Um die isolierten Luchspopulationen Mitteleuropas miteinander zu vernetzen, gibt es auch in anderen Ländern (und Bundesländern) Initiativen zur Wiederansiedlung oder Bestandsstützung. Dadurch entsteht aktuell ein hoher Bedarf an Luchsen, der nicht allein durch  in Freiheit geborenen Luchse (sogenannte Wildfänge) abgedeckt werden kann. Freilandprojekte müssen daher verstärkt auf Luchse zurückgreifen, die in Gefangenschaft geboren wurden. Um den hohen Anforderungen für die Haltung von Luchsen für Wiederansiedlungsprojekte gerecht zu werden, wurde im Wildkatzendorf Hütscheroda (Wartburgkreis) ein großes, naturnahes und vom öffentlichen Besucherverkehr abgeschirmtes Gehege gebaut. Hier können Luchse mit minimalem Kontakt zu Menschen auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet werden.

Das Wildkatzendorf Hütscheroda

Das Wildkatzendorf Hütscheroda wurde 2012 am Südrand des Nationalparks Hainich gegründet, um Besucher der Hainich-Region mit der Biologie und dem Schutz der heimischen Wildkatze (Felis silvestris) vertraut zu machen. Seit 2019 widmet sich das Wildkatzendorf außerdem dem Schutz des Luchses. Dabei versteht sich das Wildkatzendorf überwiegend als Bildungseinrichtung und touristischer Leuchtturm in der Region, welcher seinen jährlich rund 30.000 Besuchern die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen zum Erhalt der beiden Katzenarten vor Augen führt. Hierzu dient eine moderne, interaktive Ausstellung in der sogenannten Wildkatzenscheune, in der sich Besucher über die Biologie und den Schutz von Wildkatze und Luchs informieren können. Das eigentliche Herzstück des Wildkatzendorfes ist die sogenannte Wildkatzenlichtung, ein weitläufiges Freilichtareal, in dem Wildkatzen in mehreren großen, naturnahen Schaugehegen aus nächster Nähe beobachtet werden können. Im Sommer 2019 wurde die Wildkatzenlichtung um ein 3400 m² großes Schau- und Zuchtgehege für Luchse erweitert, das seither von einem Luchspaar, sowie zeitweise von dessen Jungen bewohnt wird. Dieses Gehege ist innerhalb einer Waldfläche errichtet, und verfügt in seinem Inneren über viel natürlichen Baumbestand sowie zahlreiche Versteckmöglichkeiten.

Das Luchskoordinationsgehege

Das Koordinationsgehege im Wildkatzendorf Hütscheroda ist das erste seiner Art in Europa. Das etwa 3400 m² großen Gehege hat den Zweck, Luchse in einem weitläufigen, naturnahen Areal auf ein Leben in freier Wildbahn vorzubereiten. Im Koordinationsgehege werden Luchse aufgenommen, die in geeigneten Gehegen in europäischen Zoos und Wildparks geboren wurden und nach sorgfältiger Auswahl in das Koordinationsgehege überführt wurden. Hier werden sie mehrere Monate mit minimalem Kontakt zu Menschen gehalten und dann zur Auswilderung an geeignete Freilandprojekte abgegeben. 

Wie viele Tiere kann das Gehege aufnehmen?

Das Koordinationsgehege hat eine Fläche von etwa 3400 m² und kann in drei jeweils um die 1000 m² große Kompartimente unterteilt werden. Auf diese Weise entsteht Platz für bis zu drei Geschwistergruppen. Geschwister desselben Wurfes sind untereinander in der Regel gut verträglich und können daher gemeinsam gehalten werden.

Wie kann eine Gewöhnung an den Menschen verhindert werden?

Alle Luchse, die nach Hütscheroda kommen, werden einem sorgfältigen Auswahlprozess unterzogen. Eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme in ein Auswilderungsprojekt ist, dass die Luchse in Zoos oder Wildparks mit großen, naturnahen Gehegen mit geringer Einsehbarkeit durch Besuchende geboren wurden. In solchen Gehegen aufgewachsene Luchse können dann im Alter von etwa 8-12 Monaten in das Koordinationsgehege überführt werden. In diesem Alter findet auch in freier Wildbahn die Trennung von der Mutter statt. Im Koordinationsgehege haben die Luchse keinen Kontakt mehr zu Besuchenden. Arbeiten der Tierpfleger:innen am und im Gehege werden auf ein absolut notwendiges Minimum reduziert. Eine Gewöhnung an den Menschen wird konsequent vermieden. Vor der Freilassung wird jeder Luchs einem Verhaltenstest unterzogen, in dem er beispielsweise ein angemessenes Fluchtverhalten bei Annäherung eines Menschen zeigen muss. 

Welches Alter haben Luchse, wenn sie ausgewildert werden?

In vorangegangenen Wiederansiedlungsprojekten, in denen Gehegetiere verwendet wurden, sind Luchse ganz unterschiedlicher Altersklassen ausgewildert worden, sowohl einjährige Tiere als auch Luchse, die bereits mehrere Jahre in Gehegehaltung verbrachten. 

In der freien Wildbahn trennen sich Luchse im Alter von etwa 10-12 Monaten von ihrer Mutter. Die einjährigen Luchse machen sich dann auf die Suche nach einem eigenen Revier und sind in diesem Alter in der Lage, sich selbst zu ernähren. Daher werden wir im Rahmen unseres Projektes überwiegend Luchse dieser Altersklasse auswildern.

Wie schaffen es die in Gefangenschaft geborenen Luchse später in freier Wildbahn zu überleben?

Die wichtigste Voraussetzung, die ein in Gefangenschaft geborener Luchs für ein Leben in freier Wildbahn mitbringen muss, ist eine angemessene Scheu vor dem Menschen. Wildlebende Luchse sollten sich Menschen nicht aktiv annähern und sollten mit Flucht reagieren, wenn ihnen Menschen zu nahe kommen. 

Alle im Koordinationsgehege gehaltenen Luchse werden zudem mit Fleisch ihrer natürlichen Beutetiere gefüttert. Dabei werden jedoch keine lebenden Beutetiere verfüttert. Das Jagen müssen die jungen Luchse allerdings auch nicht lernen, denn der Jagdtrieb ist ihnen angeboren. Ein gutes Beispiel hierfür ist der in Hütscheroda aufgewachsene Luchs Norik. Obwohl Norik noch nie zuvor ein lebendes Beutetier erlegte, ist es ihm nach seiner Auswilderung in den österreichischen Kalkalpen gelungen, binnen kürzester Zeit ein Reh, eine Gams und einen jungen Rothirsch zu erbeuten.