PROJEKT

Rückkehr Thüringer Wald

Der Thüringer Wald – das fehlende Bindeglied 

Nachdem der Eurasische Luchs (Lynx lynx) in Mitteleuropa etwa 200 Jahre ausgestorben war, hat es seit den 1970er Jahren in vielen europäischen Ländern Projekte zur Wiederansiedlung des Luchses gegeben. Vielen dieser Projekte ist es gelungen, Europas größte Raubkatze zurück in geeignete Waldgebiete zu bringen. Allerdings kommen Luchse auch Jahrzehnte nach den ersten Wiederansiedlungen immer noch in vereinzelten, voneinander isolierten Populationen vor. Diese räumliche Isolation hat in den meisten Populationen zu einem Verlust genetischer Diversität geführt, der das langfristige Überleben dieser Vorkommen gefährdet. Die Vernetzung der isolierten europäischen Luchspopulationen ist daher als ein wesentliches Ziel für den Schutz des Luchses in Europa identifiziert worden.

In Deutschland leben insgesamt rund 130 selbständige Luchse, die sich größtenteils auf drei Verbreitungsgebiete verteilen: Im Bayerischen Wald, im Harz, und seit wenigen Jahren auch wieder im Pfälzerwald. Alle drei Regionen sind jedoch mindestens 250 km voneinander entfernt und auch von anderen europäischen Luchsvorkommen weitgehend isoliert. Zwischen den drei Verbreitungsgebieten kommen Luchse trotz potentiell geeigneten Habitats bislang noch nicht dauerhaft vor. Ein Austausch von Individuen zwischen den drei Populationen findet folglich nicht statt. Die Situation des Luchses in Deutschland ist daher weit von den in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt formulierten Zielen entfernt, gemäß derer der Luchs bis 2020 in den Alpen und Mittelgebirgen Deutschlands wieder flächendeckend vorkommen sollte.

Aufgrund seiner zentralen Lage kommt dem Freistaat Thüringen eine herausragende Bedeutung für die Vernetzung der isolierten deutschen Luchsvorkommen zu. Insbesondere das etwa 2.200 km² große Waldgebiet des Thüringer Waldes würde einen großflächig geeigneten Lebensraum bieten, in dem Schätzungen zufolge bis zu 60 selbstständige Luchse leben könnten. Ein stabiler Populationskern im Thüringer Wald wäre das bislang noch fehlende Bindeglied, um die Populationen im Harz und im Bayerischen Wald/ Böhmerwald miteinander zu vernetzen.

Doch auch 20 Jahre nach der Wiederansiedlung von Luchsen im Harz (bzw. 30 Jahre nach der Wiederansiedlung von Luchsen im Bayerischen Wald/ Böhmerwald) hat sich die Art den Thüringer Wald noch nicht dauerhaft als Lebensraum erschlossen. Ein im Auftrag des BUND Thüringen entwickeltes Ausbreitungsmodell legt zudem nahe, dass mit einer natürlichen Besiedlung des Thüringer Waldes auch in den nächsten 20-30 Jahren nicht zu rechnen ist.

Das Modell zeigt jedoch auch, dass durch die aktive Ansiedlung von 12-20 Luchsen im Thüringer Wald ein hinreichend großer und stabiler Populationskern geschaffen werden könnte, über den die Populationen im Harz und im Bayerischen Wald miteinander in Kontakt gebracht würden. Nach Vorhersagen des Modells würde sich der Luchs, ausgehend vom Thüringer Wald, zudem weitere geeignete Lebensräume in Mitteldeutschland erschließen (z.B. Erzgebirge, Rhön, Spessart, Nordhessisches Bergland).

Durch eine einmalige Ansiedlung von 12-20 Luchsen im Thüringer Wald würde also eine vernetzte mitteldeutsche Metapopulation entstehen, die langfristig eine Größe erreichen würde, bei der der Verlust genetischer Diversität zu vernachlässigen wäre.  

Aktivitäten im Projekt 

Bei der Etablierung neuer Luchsvorkommen achtet man darauf, dass die Gründerpopulation (ca. 20 Tiere) genetisch möglichst gut aufgestellt ist. Um das Ziel eines möglichst breiten Genpools zu erreichen, sollen daher Luchse verschiedener Herkunft im Thüringer Wald ausgewildert werden: 


Wildfänge

Rund die Hälfte der Tiere für die Gründerpopulation im Thüringer Wald soll aus in Rumänien gefangenen wilden Luchsen bestehen. Um einer zu nahen Verwandtschaft und damit möglichen Inzuchtproblemen vorzubeugen, werden die Luchse in vier unterschiedlichen Regionen gefangen.


Gehege-Nachzuchten

Die European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) hat ein Zuchtbuchprogramm für den Karpaten-Luchs. Da die Verwandtschaftsbeziehungen und die Genetik der Luchse, die in dem Zuchtbuch geführt werden, bekannt sind, können Luchse gezielt verpaart werden, ohne dass man Inzucht befürchten müsste.  Während in der Vergangenheit vor allem der Bedarf an jungen Luchsen für die eigenen Gehege im Vordergrund stand, sollen zukünftig auch gezielt Luchse für Auswilderung in Freilandprojekten gezüchtet werden. Protokolle und Richtlinien für die Verwendung von Gehegetieren für Freilandprojekte werden derzeit von der internationalen Projektgruppe Linking Lynx entwickelt. Diese Tiere wachsen unter besonderen Bedingungen auf und werden gezielt auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet. In Thüringen geschieht dies im speziell für diesen Zweck errichteten Luchs-Koordinationsgehege im Wildkatzendorf Hütscheroda

Unabhängig von ihrer Herkunft verbringen die Luchse vor ihrer Freilassung noch ein paar Wochen in einem sogenannten Soft-Release-Gehege mitten im Thüringer Wald. Ziel dieses Geheges ist die langsame Gewöhnung der Luchse an ihre neue Umgebung. Insbesondere bei wilden Luchsen ist bekannt, dass manche Tiere nach einem “hard-release”, d.h. dem Freilassen aus einer Box direkt nach dem Transport vom Herkunftsort, große Wanderungen unternehmen statt in dem ihnen zugedachten Zielgebiet zu verbleiben. Diesen Effekt möchte man mit dem “soft-release-Ansatz” vermeiden. Da das Gehege in zwei Kompartimente unterteilbar ist, besteht zudem die Möglichkeit, dass zeitgleich zwei Luchse unterschiedlichen Geschlechts untergebracht werden können und sich schon mal beschnuppern können. Nach einem Zeitraum von etwa vier Wochen, in dem die Tiere noch mit Wasser und Wild versorgt werden, wird dann das Tor geöffnet und die Luchse sind frei.

Um Informationen darüber zu erhalten, wohin sich die Luchse bewegen und wo sie ihre Reviere etablieren, werden alle Tiere mit GPS-Halsbandsendern ausgestattet. Somit kann nachverfolgt werden, wo sich die Tiere aufhalten. Es ist sogar möglich, anhand der Daten Risse oder Wurfplätze zu identifizieren.

Die Halsbandsender schränken die Luchse in ihrer Lebensweise und bei der Jagd nicht ein. Sie sind zudem mit Sollbruchstellen ausgestattet, sodass sie spätestens nach einem Jahr von allein abfallen. Um auch danach und zusätzlich über zuwandernde Luchse und neugeborene Jungtiere Informationen zu erhalten, soll die neu entstehende Population zudem durch Fotofallen und über ein so genanntes genetisches Monitoring überwacht werden.