PROJEKT
Luchs & Naturschutz
Wieso wird der Luchs in Thüringen wieder angesiedelt?
Weshalb soll der Luchs zurück nach Deutschland kommen und warum brauchen wir ihn? Solche Fragen tauchen immer wieder auf, wenn es um die Rückkehr des Luchses nach Deutschland geht. Was viele Menschen aber nicht wissen, ist, dass der Luchs historisch betrachtet zur Natur in Deutschland gehört und keine exotische oder invasive Art ist. Deutschland war Luchsland, denn die Wildkatzen streiften einst durch nahezu alle heimischen Wälder, so auch den Thüringen Wald.
Übrigens war der Thüringer Wald eines der letzten Gebiete in Deutschland, in denen es überhaupt noch Luchse gab. Erst 1843 wurde das letzte Tier in Thüringen geschossen. Zu diesem Zeitpunkt war der Luchs in weiten Teilen Deutschlands bereits ausgerottet.
Aufgrund der starken Verfolgung galt der Luchs in Deutschland und ganz Westeuropa für mehr als 100 Jahre als ausgestorben. Seit den 1970er Jahren konnte die Tierart dank aktiver Wiederansiedlungen in einzelne Gebiete zurückkehren.
Die Rolle des Luchses im Ökosystem Wald
Als großes Raubtier oder so genannter Top-Prädator steht der Luchs ganz oben in der Nahrungskette und spielt eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald und für die Biodiversität. In manchen Gebieten konnte ein positiver Effekt des Luchses auf die Naturverjüngung des Waldes beobachtet werden, denn Rehe und Hirsche fressen gerne die Triebe von jungen Bäumen. Gibt es zu hohe Schalenwilddichten, insbesondere zu viele Rehe, fällt es dem Wald schwer, sich aus eigener Kraft zu erneuern. Der Luchs hilft also dabei, das ganze Ökosystem Wald in einem gesunden natürlichen Gleichgewicht zu halten.
Deutschland hat eine rechtliche Verpflichtung zum Luchsschutz
Der Luchs gilt nach §7 Bundesnaturschutzgesetz als “streng geschützte Art“.
Zudem steht der Luchs, im Gegensatz zum Wolf, im deutschen Jagdgesetz, jedoch unter ganzjähriger Schonzeit. Er darf also nicht bejagt werden. Im Gegenteil, für den Luchs besteht eine so genannte Hegeverpflichtung: Jägerinnen und Jäger sowie die Jagdverbände als eingetragene und anerkannte Naturschutzverbände haben eine formale Verantwortung für den Erhalt des Luchses in der freien Wildbahn.
Auf EU-Ebene wird der Luchs als eine streng geschützte Tierart bewertet, die im Anhang 2 und 4 der so genannten Flora-Fauna-Habitat (FFH) Richtlinie geführt wird. Durch diese Richtlinie ist Deutschland rechtlich verpflichtet, den Luchs und den für ihn geeigneten Lebensraum zu schützen. Auch wenn es in Deutschland dank Wiederansiedlungsprojekten wieder Luchsvorkommen im Bayerischen Wald, im Harz und im Pfälzerwald gibt, kommen Luchse auch Jahrzehnte nach den ersten Wiederansiedlungen immer noch in vereinzelten, voneinander isolierten Populationen, und betrachtet auf die potenziell geeignete Fläche, nur in geringen Zahlen vor. Derzeit wird der Erhaltungszustand des Luchses in Deutschland daher mit “ungünstig-schlecht” bewertet.
Diese Einschätzung findet sich auch in der Roten Liste Deutschlands wieder, in der der Luchs als „vom Aussterben bedroht“ geführt wird.
Isolation führt zum Verlust genetischer Diversität
Je kleiner und isolierter eine Population ist, desto größer ist die Gefahr einer genetischen Verarmung. Langfristig kann das bei den Individuen zu verminderter Fruchtbarkeit und erhöhter Anfälligkeit für Krankheiten führen. Genetische Verarmung ist also ein sehr ernstzunehmendes Problem, welches die Überlebenschancen einer Population stark beeinflussen kann.
Das Kernziel des Luchsschutzes in Europa ist daher die Vernetzung von bislang isolierten Vorkommen und somit ein genetischer Austausch zwischen unterschiedlichen Teilpopulationen. In der stark vom Menschen geprägten Landschaft Deutschlands und Westeuropas gibt es Lebensraum für den Luchs keineswegs flächendeckend, sondern vor allem dort, wo große zusammenhängende Waldgebiete erhalten geblieben sind. Es geht also darum, Luchsen eine Rückkehr in geeignete Waldgebiete zu ermöglichen und diese, wo notwendig, über Wanderkorridore zu verknüpfen, sodass langfristig ein Netzwerk entsteht, über das die Teilpopulationen miteinander verbunden sind und genetischer Austausch stattfinden kann (wissenschaftlich: “Metapopulationskonzept”). Die Vernetzung der Lebensräume nutzt nicht nur dem Luchs, sondern auch anderen von genetischer Verarmung bedrohten Tierarten, wie dem Rotwild.
Als ein besonders wichtiger Knotenpunkt in diesem Netzwerk, gelegen zwischen den Luchspopulationen im Bayerischen Wald und im Harz, wurde der Thüringer Wald identifiziert.
Weitere sogenannte Trittstein-Populationen sollen in Sachsen und Baden-Württemberg entstehen.